Lot Nr. 110


Keith Haring


(Kutztown 1958–1990 New York)
Pyramidenskulptur, 1989, auf der Platte auf der Innenseite der Pyramide signiert, datiert (eingeritzt) K. Haring 89, eloxiertes Aluminium, eines von 2 PP neben einer Edition von 15 (+6 AP), Hersteller: Domberger, Stuttgart und Aluplan GmbH, Korb/ Stuttgart, hrsg. von Schellman Art Production München/ New York (auf der Platte gestempelt), 144 x 144 x 75 cm
 

Provenienz:
Privatsammlung, Schweiz
Privatsammlung, Nordrhein-Westfalen - dort im Jahre 1991 direkt erworben

Literatur:
Jörg Schellmann (Hrsg.), Forty are better than one, Edition Schellmann 1969–2009, München/ New York 2009, S. 146, Nr. 16 (farbige Abb.)

„Die Wirklichkeit der Kunst beginnt in den Augen des Betrachters und erlangt Kraft durch Phantasie, Erfindungsgabe und Konfrontation.“
Keith Haring, Art in Transit 1984

„Die Zeichnungen haben sich einfach ereignet, und wenn es sich einmal ereignet, baut man darauf auf. Einige nennen es Zufall, andere Schicksal. Es überrascht mich nicht mehr, daß diese Dinge passieren.“ Keith Haring im Interview mit Barry Blinderman, 1981
Keith Haring, hrsg. Germano Celant, S. 31

„Die Wirklichkeit der Kunst beginnt in den Augen des Betrachters und erlangt Kraft durch Phantasie, Erfindungsgabe und Konfrontation.“ Keith Haring, Art in Transit 1984

Der erst zwanzig jährige Keith Haring schloss sich 1978 in New York schnell der aufstrebenden East Village art scene an, zu der auch Jean-Michel Basquiat, Kenny Scharf und Al Diaz gehörte. Als Unterstützer, Freunde und Mentoren gewann er Madonna, Grace Jones, Andy Warhol, Jean Tinguely, Claude Picasso und Yves Arman.
Mit dem Zeichnen von Figuren und dem Entwerfen verschiedenster Symbole hatte Keith Haring bereits in seiner Kindheit in Pennsylvania begonnen. Überall in seiner Umgebung, auf Werbeplakaten, Anzeigetafeln und Haltestellen hinterließ er seine Zeichen in Kreide. Die New Yorker U-Bahn-Stationen mit ihren langen, geraden Wänden erkor er ab 1978 zu seinem „Labor“ für Schwarz-Weiß-Zeichnungen, und dort experimentierte er auch mit unzähligen seiner charakteristischen linearen Figuren. Der Wiedererkennungswert der schwarz-weißen oder in Primärfarben gehaltenen Figuren ist hoch. Sie gleichen Hieroglyphen und können wie eine städtische Stammessprache gelesen werden. Seine Symbole und Archetypen, deren Gestalten im menschlichen Unterbewusstsein ruhen, erschienen in Tausenden von Episoden auf der ganzen Welt auf Mauern von Schulen, Krankenhäusern, an Fassaden heruntergekommener Häuser und auf großen Werbetafeln. Eine finanzielle Gegenleistung forderte Keith Haring dafür in der Regel nicht, auch dann nicht, als er schon ein weltweit anerkannter Künstler war und beispielsweise gemeinsam mit Kindern im Auftrag der Stadt Pisa die Fassade der Kirche St. Antonio bemalte. Die Figuren sind, wie bei der von uns angebotenen Pyramide, gleich einem Mosaik eng gelegt und ineinander verschlungen, womit die gesamte Bildfläche ausgefüllt wird. Anfänglich zeichnete Keith Haring zahlreiche rhetorische und religiöse Metaphern wie das Kreuz, den Strahlenkranz und das Loch der Seele im menschlichen Körper. Ab 1981 kamen immer häufiger fantastische Mischwesen hinzu, wie der Computer mit dem Kopf, die vieläugigen Wesen und Figuren mit gewaltigen Geschlechtsorganen. Keith Haring erschuf mit seinem Werk die moderne Form des mittelalterlichen Bestiariums und machte seine universellen Chiffren für jedermann lesbar, womit er ein soziales und kollektives Sein erschuf.
Der Schaffensprozess der häufig riesigen Wandbilder wird von Keith Harings Freunden wie Claude Picasso und dem belgischen Galeristen Roger Nellens als ungewöhnlich faszinierend und einzigartig beschrieben. Claude Picasso vergleicht die Arbeitsweise Harings mit der seines Vaters Pablo Picasso. Haring arbeitete völlig ohne Vorzeichnungen, frei Hand und rein aus seiner Vorstellung heraus. Er zog die schwarzen Konturlinien – manchmal auf einer Leiter stehend – ohne Hilfe von oben nach unten in einem Strich durch. Claude Picasso ließ Keith Haring 1987 die Zimmertür seines Sohnes Jasmin bemalen und schrieb dazu: „Er blieb dran, stand dicht an der Tür und malte von oben nach unten, ging in die Knie, trat kein einziges Mal zurück, um sein Werk zu begutachten. Erst nachdem er die gesamte Türfläche bemalt hatte, trat er einen Schritt zurück und da war sie vollendet und ein wunderbares Gemälde. Nun, mein Vater wäre auf genau die gleiche Weise ans Werk gegangen.“ (Claude Picasso, in: Keith Haring, Die autorisierte Biographie von John Gruen, München 1991, S. 175)
Die seltenen Pyramiden stellte Keith Haring seinem Publikum 1989 vor, nur ein Jahr vor seinem Tod im Februar 1990. Auf den vier Pyramidenfeldern, der Siebdrucke auf eloxiertem Aluminium, sind als universelle Sprache der Chiffren Keith Harings charakteristische Figuren und Symbole dargestellt, die in ekstatischem Tanz das Leben feiern. Die üppigen Figuren in Gold und Blau sind innerhalb der großen Pyramidenform zu einem Gesamtnetz auf goldenem oder blauem Hintergrund verwoben. Die linearen Figuren und Symbole stehen zum Teil in engem Zusammenhang zueinander und sind durch Linien direkt miteinander verbunden oder als Solitäre, organisch geformten Mosaiksteinchen gleich, in die Linien der sie umgebenden Figuren eingefügt. Die pyramidale Form symbolisiert für Keith Haring zum einen den starken Bezug auf die mythische antike Vergangenheit der Menschheit, zum anderen stellt er dadurch zugleich den Bezug zur Ewigkeit und Unvergänglichkeit her. Die unglaubliche Vielzahl, der miteinander in engster Beziehung stehenden Figuren und Symbole, zeugt von der extremen grafischen Sensibilität die Keith Haring eigen war. Mit den Pyramiden verleiht der Künstler seinen ursprünglich aus dem New Yorker Untergrund kommenden Graffitis eine elitäre Bühne und vereint in diesem einen Werk beinahe alle Charaktere seines gesamten Oeuvres.
 

Expertin: Dr. Petra Maria Schäpers Dr. Petra Maria Schäpers
+49 211 2107747

petra.schaepers@dorotheum.de

24.06.2020 - 16:00

Schätzwert:
EUR 120.000,- bis EUR 160.000,-

Keith Haring


(Kutztown 1958–1990 New York)
Pyramidenskulptur, 1989, auf der Platte auf der Innenseite der Pyramide signiert, datiert (eingeritzt) K. Haring 89, eloxiertes Aluminium, eines von 2 PP neben einer Edition von 15 (+6 AP), Hersteller: Domberger, Stuttgart und Aluplan GmbH, Korb/ Stuttgart, hrsg. von Schellman Art Production München/ New York (auf der Platte gestempelt), 144 x 144 x 75 cm
 

Provenienz:
Privatsammlung, Schweiz
Privatsammlung, Nordrhein-Westfalen - dort im Jahre 1991 direkt erworben

Literatur:
Jörg Schellmann (Hrsg.), Forty are better than one, Edition Schellmann 1969–2009, München/ New York 2009, S. 146, Nr. 16 (farbige Abb.)

„Die Wirklichkeit der Kunst beginnt in den Augen des Betrachters und erlangt Kraft durch Phantasie, Erfindungsgabe und Konfrontation.“
Keith Haring, Art in Transit 1984

„Die Zeichnungen haben sich einfach ereignet, und wenn es sich einmal ereignet, baut man darauf auf. Einige nennen es Zufall, andere Schicksal. Es überrascht mich nicht mehr, daß diese Dinge passieren.“ Keith Haring im Interview mit Barry Blinderman, 1981
Keith Haring, hrsg. Germano Celant, S. 31

„Die Wirklichkeit der Kunst beginnt in den Augen des Betrachters und erlangt Kraft durch Phantasie, Erfindungsgabe und Konfrontation.“ Keith Haring, Art in Transit 1984

Der erst zwanzig jährige Keith Haring schloss sich 1978 in New York schnell der aufstrebenden East Village art scene an, zu der auch Jean-Michel Basquiat, Kenny Scharf und Al Diaz gehörte. Als Unterstützer, Freunde und Mentoren gewann er Madonna, Grace Jones, Andy Warhol, Jean Tinguely, Claude Picasso und Yves Arman.
Mit dem Zeichnen von Figuren und dem Entwerfen verschiedenster Symbole hatte Keith Haring bereits in seiner Kindheit in Pennsylvania begonnen. Überall in seiner Umgebung, auf Werbeplakaten, Anzeigetafeln und Haltestellen hinterließ er seine Zeichen in Kreide. Die New Yorker U-Bahn-Stationen mit ihren langen, geraden Wänden erkor er ab 1978 zu seinem „Labor“ für Schwarz-Weiß-Zeichnungen, und dort experimentierte er auch mit unzähligen seiner charakteristischen linearen Figuren. Der Wiedererkennungswert der schwarz-weißen oder in Primärfarben gehaltenen Figuren ist hoch. Sie gleichen Hieroglyphen und können wie eine städtische Stammessprache gelesen werden. Seine Symbole und Archetypen, deren Gestalten im menschlichen Unterbewusstsein ruhen, erschienen in Tausenden von Episoden auf der ganzen Welt auf Mauern von Schulen, Krankenhäusern, an Fassaden heruntergekommener Häuser und auf großen Werbetafeln. Eine finanzielle Gegenleistung forderte Keith Haring dafür in der Regel nicht, auch dann nicht, als er schon ein weltweit anerkannter Künstler war und beispielsweise gemeinsam mit Kindern im Auftrag der Stadt Pisa die Fassade der Kirche St. Antonio bemalte. Die Figuren sind, wie bei der von uns angebotenen Pyramide, gleich einem Mosaik eng gelegt und ineinander verschlungen, womit die gesamte Bildfläche ausgefüllt wird. Anfänglich zeichnete Keith Haring zahlreiche rhetorische und religiöse Metaphern wie das Kreuz, den Strahlenkranz und das Loch der Seele im menschlichen Körper. Ab 1981 kamen immer häufiger fantastische Mischwesen hinzu, wie der Computer mit dem Kopf, die vieläugigen Wesen und Figuren mit gewaltigen Geschlechtsorganen. Keith Haring erschuf mit seinem Werk die moderne Form des mittelalterlichen Bestiariums und machte seine universellen Chiffren für jedermann lesbar, womit er ein soziales und kollektives Sein erschuf.
Der Schaffensprozess der häufig riesigen Wandbilder wird von Keith Harings Freunden wie Claude Picasso und dem belgischen Galeristen Roger Nellens als ungewöhnlich faszinierend und einzigartig beschrieben. Claude Picasso vergleicht die Arbeitsweise Harings mit der seines Vaters Pablo Picasso. Haring arbeitete völlig ohne Vorzeichnungen, frei Hand und rein aus seiner Vorstellung heraus. Er zog die schwarzen Konturlinien – manchmal auf einer Leiter stehend – ohne Hilfe von oben nach unten in einem Strich durch. Claude Picasso ließ Keith Haring 1987 die Zimmertür seines Sohnes Jasmin bemalen und schrieb dazu: „Er blieb dran, stand dicht an der Tür und malte von oben nach unten, ging in die Knie, trat kein einziges Mal zurück, um sein Werk zu begutachten. Erst nachdem er die gesamte Türfläche bemalt hatte, trat er einen Schritt zurück und da war sie vollendet und ein wunderbares Gemälde. Nun, mein Vater wäre auf genau die gleiche Weise ans Werk gegangen.“ (Claude Picasso, in: Keith Haring, Die autorisierte Biographie von John Gruen, München 1991, S. 175)
Die seltenen Pyramiden stellte Keith Haring seinem Publikum 1989 vor, nur ein Jahr vor seinem Tod im Februar 1990. Auf den vier Pyramidenfeldern, der Siebdrucke auf eloxiertem Aluminium, sind als universelle Sprache der Chiffren Keith Harings charakteristische Figuren und Symbole dargestellt, die in ekstatischem Tanz das Leben feiern. Die üppigen Figuren in Gold und Blau sind innerhalb der großen Pyramidenform zu einem Gesamtnetz auf goldenem oder blauem Hintergrund verwoben. Die linearen Figuren und Symbole stehen zum Teil in engem Zusammenhang zueinander und sind durch Linien direkt miteinander verbunden oder als Solitäre, organisch geformten Mosaiksteinchen gleich, in die Linien der sie umgebenden Figuren eingefügt. Die pyramidale Form symbolisiert für Keith Haring zum einen den starken Bezug auf die mythische antike Vergangenheit der Menschheit, zum anderen stellt er dadurch zugleich den Bezug zur Ewigkeit und Unvergänglichkeit her. Die unglaubliche Vielzahl, der miteinander in engster Beziehung stehenden Figuren und Symbole, zeugt von der extremen grafischen Sensibilität die Keith Haring eigen war. Mit den Pyramiden verleiht der Künstler seinen ursprünglich aus dem New Yorker Untergrund kommenden Graffitis eine elitäre Bühne und vereint in diesem einen Werk beinahe alle Charaktere seines gesamten Oeuvres.
 

Expertin: Dr. Petra Maria Schäpers Dr. Petra Maria Schäpers
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petra.schaepers@dorotheum.de


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Zeitgenössische Kunst I
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 24.06.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 18.06. - 24.06.2020