Lot Nr. 229


Andy Warhol


Andy Warhol - Zeitgenössische Kunst I

(Pittsburgh 1928–1987 New York)
Man Ray, 1974, auf der oberen Überlappung signiert, betitelt und nummeriert 2/6, Acryl und Siebdrucktinte auf Leinwand, 101 x 101 cm, gerahmt

Bei Andy Warhol hat alles immer mindestens zwei Seiten. Nehmen wir zum Beispiel Man Ray: Warhol fotografierte Man Ray am 30. November 1973 in dessen Pariser Wohnung. Kunsthistoriker sind sich einig, dass viele der Prinzipien von Warhols Kunst und der Pop Art im Allgemeinen ihren Ursprung in der Arbeit des einflussreichen US-Fotografen und Experimentalfilmers haben.

Zu den Einflüssen, die Man Ray, der wie Warhol aus armen Verhältnissen stammte, zugeschrieben werden, gehören die Wiederholung und Reproduktion von Motiven, wie wir sie in Warhols Serien von Suppendosen, Marilyns, Maos, elektrischen Stühlen usw. sehen.

Noch zu seiner Studentenzeit in seiner Heimatstadt Pittsburgh hatte Warhol auch mit den schattenhaften Fotogrammen oder „Rayographien“ experimentiert, die von Man Ray entwickelt worden waren.

Es mag nicht überraschen, dass Andy Warhols eigene Version des Ergebnisses der Pariser Begegnung von der kunsthistorischen Darstellung abweicht. In einer Auswahl von Interviews mit dem Titel „I'll Be Your Mirror“ erörterte er die Angelegenheit in seinem unnachahmlichen, trockenen und sphinxartigen Stil. Das einzige, woran er sich von seiner Begegnung mit Man Ray erinnern könne, sei sein Toilettensitz gewesen, weil er einen Stoffbezug hatte. Er sagte weiter, dass er ihn „eigentlich nur wegen seines Namens liebte“ - Man Ray. Eines ist jedoch sicher: Warhol war von May Ray und seinem Werk sehr angetan, ebenso wie von Salvador Dalí: Er besaß sogar einige frühe Werke von Man Ray. Wie kamen diese Legenden des Dadaismus, Surrealismus und der Pop Art 1973 eigentlich zusammen? Das Treffen zwischen Warhol und Man Ray wurde von dem jungen Turiner Kunsthändler Giovanni Anselmino arrangiert, der Anfang der 1970er Jahre maßgeblich dazu beitrug, das Werk von Man Ray in Italien bekannt zu machen, und so die allmähliche Wiederentdeckung des Künstlers nach den 1950er Jahren unterstützte. Anselmino (der laut Bob Colacello den Spitznamen „Anselmino von Turin“ trug, weil er „eher wie ein Friseur als ein Kunsthändler aussah“) wollte Warhol mit der Herstellung einer Serie von Gemälden und Drucken von Man Ray beauftragen. Laut Colacello, Redakteur des renommierten Magazins Interview und Stammgast in Warhols Atelier „The Factory“, hatte Anselmino Man Ray 1969 wahrscheinlich über den Galeristen Alexandre Iolas kennengelernt, der 1952 Warhols erste Ausstellung in New York organisiert hatte (und übrigens 1987 auch seine letzte Ausstellung in Mailand ausrichten sollte).

Was von Warhols legendärem Besuch bei dem 83-jährigen Man Ray bleibt, ist eine Reihe von Leinwänden. Eines davon, ein typisches Porträt in Acryl und Siebdruck nach einer Fotografie, wird in der kommenden Dorotheum-Auktion für zeitgenössische Kunst im Mittelpunkt stehen.

„Man Ray“ (1974), Nummer 2635 in Warhols Werkverzeichnis, war bereits in der Vergangenheit in Ausstellungen zu sehen, ist aber bis jetzt noch nie auf dem Kunstmarkt erschienen. Es befand sich immer in Privatbesitz und nimmt einen besonderen Platz in Warhols Werk ein.

Der Auftrag von Anselmino umfasste sechs Leinwände, die auf Fotos des Pariser Fotoshootings basieren. Das Bild, das im Juni im Dorotheum versteigert wird, ist die Nr. 2 der Serie. Warhol nutzte das Man Ray-Motiv auch für andere, kleinformatige Serien und eine limitierte Auflage von 100 Drucken, die einen Text von Henry Miller und eine Illustration von Jasper Johns enthalten sollte, was jedoch nie realisiert wurde.

 Die Man Ray-Serie entstand zu einer Zeit, in der der „Business-Künstler“ Warhol in altmeisterlicher Manier Porträtaufträge von Dutzenden von reichen und berühmten Kunden aus aller Welt annahm. Die Man Ray-Serie gehört nicht dazu, sondern zu einer Reihe von Porträts von Menschen – meist Künstlern –, die Warhol wirklich bewunderte. Davon zeugt auch die Tatsache, dass er drei seiner „Man Rays“ für sich selbst behielt.

Bei dem Fotoshooting 1973 stylte Warhol seinen Dada-Helden, indem er ihn bat, seine Brille abzunehmen, seine Seemannsmütze aufzusetzen und mit einer Zigarre im Mund zu posieren. Für Warhols Verhältnisse weist das Gemälde eine sehr individuelle Farbgebung auf, die auf große Emotionen und Gefühlstiefe zurückgeführt wird.

 Die gleiche Behandlung zeigt sich in den Porträts seiner Mutter, der Warhol sein Leben lang sehr nahe stand. Dies ist besonders bemerkenswert bei einem Mann, dessen Wunsch es war, „eine Maschine zu sein“, und zeigt die Zweideutigkeit des Pop-Art-Chamäleons Andy Warhol, der immer wieder aufs Neue fasziniert.

In „Letter to Man Ray“, einem absurdistischen 20-minütigen Videomonolog, der anlässlich des Todes von Man Ray im Jahr 1976 aufgenommen wurde, erzählt Warhol performativ von seinem Pariser Fotoshooting mit dem Meister. Die sich wiederholende Rede spiegelt das Prinzip von Warhols Bildern wider: „Ich habe ein weiteres Bild von Man Ray aufgenommen, ein weiteres Polaroid-Porträt von Man Ray und ein weiteres Polaroid-Porträt von Man Ray, ein weiteres Polaroid-Porträt von Man Ray und dann ein weiteres Polaroid-Porträt von Man Ray und dann ein weiteres Polaroid-Porträt von Man Ray und dann ein weiteres Polaroid-Porträt von Man Ray. Und dann nahm ich ein weiteres Porträt auf. Und dann, glaube ich, hat er noch ein Porträt von mir gemacht, das er dann für mich signiert hat, und ich habe es in meine Brownie-Einkaufstasche gesteckt.“

Offenbar hatte Man Ray bei der Modelliersitzung keine Ahnung, wie berühmt sein Besucher war. Auf einem Tonband wurde aufgezeichnet, wie er Warhol fragte, wie ihm die Big Shot-Kamera gefalle und welche Brennweite er benutze, aber Warhol, der dieses Fachsimpeln nicht zulassen wollte, antwortete, dass es die billigste Kamera sei und deshalb sein Lieblingsknipser.

Provenienz:
Sammlung Luciano Anselmino, Mailand - direkt vom Künstler erworben (Provenienz-Zertifikat vorhanden)
Galleria LP 220, Turin (Provenienz-Zertifikat vorhanden)
Europäische Privatsammlung (dort im Jahre 1975 erworben )

Ausgestellt:
Mailand, Man Ray by Andy Warhol, Galleria Il Fauno-Alexandre Iolas, Oktober 1974, Ausstellungskatalog Nr. 8 mit Abb.
Genua, Andy Warhol. Pop Society, Palazzo Ducale, 21. Oktober 2016-26. Februar 2017, Ausstellungskat. S. 127 mit Abb.
Bologna, Warhol and Friends, New York negli anni 80, Palazzo Albergati, 29. September 2018-24. Februar 2019, Ausstellungskat. mit Abb.

Literatur:
George Frei und Neil Printz, Hrsg., The Andy Warhol Catalogue Raisonné: Paintings and Sculptures, Volume 3, 1970-1974, New York 2010,
Nr. 2635 mit Abb.

Experte: Alessandro Rizzi Alessandro Rizzi
+39-02-303 52 41

alessandro.rizzi@dorotheum.it

01.06.2022 - 17:00

Erzielter Preis: **
EUR 753.000,-
Schätzwert:
EUR 300.000,- bis EUR 500.000,-

Andy Warhol


(Pittsburgh 1928–1987 New York)
Man Ray, 1974, auf der oberen Überlappung signiert, betitelt und nummeriert 2/6, Acryl und Siebdrucktinte auf Leinwand, 101 x 101 cm, gerahmt

Bei Andy Warhol hat alles immer mindestens zwei Seiten. Nehmen wir zum Beispiel Man Ray: Warhol fotografierte Man Ray am 30. November 1973 in dessen Pariser Wohnung. Kunsthistoriker sind sich einig, dass viele der Prinzipien von Warhols Kunst und der Pop Art im Allgemeinen ihren Ursprung in der Arbeit des einflussreichen US-Fotografen und Experimentalfilmers haben.

Zu den Einflüssen, die Man Ray, der wie Warhol aus armen Verhältnissen stammte, zugeschrieben werden, gehören die Wiederholung und Reproduktion von Motiven, wie wir sie in Warhols Serien von Suppendosen, Marilyns, Maos, elektrischen Stühlen usw. sehen.

Noch zu seiner Studentenzeit in seiner Heimatstadt Pittsburgh hatte Warhol auch mit den schattenhaften Fotogrammen oder „Rayographien“ experimentiert, die von Man Ray entwickelt worden waren.

Es mag nicht überraschen, dass Andy Warhols eigene Version des Ergebnisses der Pariser Begegnung von der kunsthistorischen Darstellung abweicht. In einer Auswahl von Interviews mit dem Titel „I'll Be Your Mirror“ erörterte er die Angelegenheit in seinem unnachahmlichen, trockenen und sphinxartigen Stil. Das einzige, woran er sich von seiner Begegnung mit Man Ray erinnern könne, sei sein Toilettensitz gewesen, weil er einen Stoffbezug hatte. Er sagte weiter, dass er ihn „eigentlich nur wegen seines Namens liebte“ - Man Ray. Eines ist jedoch sicher: Warhol war von May Ray und seinem Werk sehr angetan, ebenso wie von Salvador Dalí: Er besaß sogar einige frühe Werke von Man Ray. Wie kamen diese Legenden des Dadaismus, Surrealismus und der Pop Art 1973 eigentlich zusammen? Das Treffen zwischen Warhol und Man Ray wurde von dem jungen Turiner Kunsthändler Giovanni Anselmino arrangiert, der Anfang der 1970er Jahre maßgeblich dazu beitrug, das Werk von Man Ray in Italien bekannt zu machen, und so die allmähliche Wiederentdeckung des Künstlers nach den 1950er Jahren unterstützte. Anselmino (der laut Bob Colacello den Spitznamen „Anselmino von Turin“ trug, weil er „eher wie ein Friseur als ein Kunsthändler aussah“) wollte Warhol mit der Herstellung einer Serie von Gemälden und Drucken von Man Ray beauftragen. Laut Colacello, Redakteur des renommierten Magazins Interview und Stammgast in Warhols Atelier „The Factory“, hatte Anselmino Man Ray 1969 wahrscheinlich über den Galeristen Alexandre Iolas kennengelernt, der 1952 Warhols erste Ausstellung in New York organisiert hatte (und übrigens 1987 auch seine letzte Ausstellung in Mailand ausrichten sollte).

Was von Warhols legendärem Besuch bei dem 83-jährigen Man Ray bleibt, ist eine Reihe von Leinwänden. Eines davon, ein typisches Porträt in Acryl und Siebdruck nach einer Fotografie, wird in der kommenden Dorotheum-Auktion für zeitgenössische Kunst im Mittelpunkt stehen.

„Man Ray“ (1974), Nummer 2635 in Warhols Werkverzeichnis, war bereits in der Vergangenheit in Ausstellungen zu sehen, ist aber bis jetzt noch nie auf dem Kunstmarkt erschienen. Es befand sich immer in Privatbesitz und nimmt einen besonderen Platz in Warhols Werk ein.

Der Auftrag von Anselmino umfasste sechs Leinwände, die auf Fotos des Pariser Fotoshootings basieren. Das Bild, das im Juni im Dorotheum versteigert wird, ist die Nr. 2 der Serie. Warhol nutzte das Man Ray-Motiv auch für andere, kleinformatige Serien und eine limitierte Auflage von 100 Drucken, die einen Text von Henry Miller und eine Illustration von Jasper Johns enthalten sollte, was jedoch nie realisiert wurde.

 Die Man Ray-Serie entstand zu einer Zeit, in der der „Business-Künstler“ Warhol in altmeisterlicher Manier Porträtaufträge von Dutzenden von reichen und berühmten Kunden aus aller Welt annahm. Die Man Ray-Serie gehört nicht dazu, sondern zu einer Reihe von Porträts von Menschen – meist Künstlern –, die Warhol wirklich bewunderte. Davon zeugt auch die Tatsache, dass er drei seiner „Man Rays“ für sich selbst behielt.

Bei dem Fotoshooting 1973 stylte Warhol seinen Dada-Helden, indem er ihn bat, seine Brille abzunehmen, seine Seemannsmütze aufzusetzen und mit einer Zigarre im Mund zu posieren. Für Warhols Verhältnisse weist das Gemälde eine sehr individuelle Farbgebung auf, die auf große Emotionen und Gefühlstiefe zurückgeführt wird.

 Die gleiche Behandlung zeigt sich in den Porträts seiner Mutter, der Warhol sein Leben lang sehr nahe stand. Dies ist besonders bemerkenswert bei einem Mann, dessen Wunsch es war, „eine Maschine zu sein“, und zeigt die Zweideutigkeit des Pop-Art-Chamäleons Andy Warhol, der immer wieder aufs Neue fasziniert.

In „Letter to Man Ray“, einem absurdistischen 20-minütigen Videomonolog, der anlässlich des Todes von Man Ray im Jahr 1976 aufgenommen wurde, erzählt Warhol performativ von seinem Pariser Fotoshooting mit dem Meister. Die sich wiederholende Rede spiegelt das Prinzip von Warhols Bildern wider: „Ich habe ein weiteres Bild von Man Ray aufgenommen, ein weiteres Polaroid-Porträt von Man Ray und ein weiteres Polaroid-Porträt von Man Ray, ein weiteres Polaroid-Porträt von Man Ray und dann ein weiteres Polaroid-Porträt von Man Ray und dann ein weiteres Polaroid-Porträt von Man Ray und dann ein weiteres Polaroid-Porträt von Man Ray. Und dann nahm ich ein weiteres Porträt auf. Und dann, glaube ich, hat er noch ein Porträt von mir gemacht, das er dann für mich signiert hat, und ich habe es in meine Brownie-Einkaufstasche gesteckt.“

Offenbar hatte Man Ray bei der Modelliersitzung keine Ahnung, wie berühmt sein Besucher war. Auf einem Tonband wurde aufgezeichnet, wie er Warhol fragte, wie ihm die Big Shot-Kamera gefalle und welche Brennweite er benutze, aber Warhol, der dieses Fachsimpeln nicht zulassen wollte, antwortete, dass es die billigste Kamera sei und deshalb sein Lieblingsknipser.

Provenienz:
Sammlung Luciano Anselmino, Mailand - direkt vom Künstler erworben (Provenienz-Zertifikat vorhanden)
Galleria LP 220, Turin (Provenienz-Zertifikat vorhanden)
Europäische Privatsammlung (dort im Jahre 1975 erworben )

Ausgestellt:
Mailand, Man Ray by Andy Warhol, Galleria Il Fauno-Alexandre Iolas, Oktober 1974, Ausstellungskatalog Nr. 8 mit Abb.
Genua, Andy Warhol. Pop Society, Palazzo Ducale, 21. Oktober 2016-26. Februar 2017, Ausstellungskat. S. 127 mit Abb.
Bologna, Warhol and Friends, New York negli anni 80, Palazzo Albergati, 29. September 2018-24. Februar 2019, Ausstellungskat. mit Abb.

Literatur:
George Frei und Neil Printz, Hrsg., The Andy Warhol Catalogue Raisonné: Paintings and Sculptures, Volume 3, 1970-1974, New York 2010,
Nr. 2635 mit Abb.

Experte: Alessandro Rizzi Alessandro Rizzi
+39-02-303 52 41

alessandro.rizzi@dorotheum.it


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Zeitgenössische Kunst I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 01.06.2022 - 17:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 21.05. - 01.06.2022


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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